Des Poledancers größter Feind……ist nicht die Schwerkraft – es ist das eigene EGO!
Wer kennt es nicht… man sieht einen Trick auf Insta, die Person bringt diesen leichtfüßig und an die Pole und man denkt sich „sieht ja nicht so schwer aus – probiere ich gleich mal“… erst wenn man unaufgewärmt und wie ein Schluck Wasser in der Kurve an der Pole hängt, merkt man, „hmmm.. so easy scheint es ja nicht zu sein“. Bis hierhin ist jetzt noch alles völlig normal und nachvollziehbar.
Was ich aber tagtäglich in den Sozialen Medien, in Trainings und in Gesprächen mit den Schülern feststellen muss, ist, dass fast allen das eigene Ego der größte Stein auf dem Weg zum Erfolg ist.Ich mache mein Leben lang bereits Sport, unterrichte seit 9 Jahren Pole und betreue seit zwei Jahren die inzwischen zweitgrößten FB Pole-Community und ich muss sagen, es ist immer wieder erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Leute an Techniken/Tricks/Posen wagen, die weit außerhalb ihrer Skills, der Kompetenz und des Verständnisses liegen.Es geht nicht darum, mal einen Trick auszuprobieren zu wollen, den man schön findet. aber wenn man selbst nicht einschätzen kann, auf welchem Skill-Level die Pose / der Trick ist und welches Level die eigene Muskulatur überhaupt leisten kann, dann fragt man Profis, die sich seit Jahren mit nichts anderem beschäftigen.
Wir Trainer beraten, immer mit Blick auf sicheres und gesundes Training, gerne dazu und wir sind sehr froh über den regen Austausch mit unseren Schülern. Als hilfsbereite Trainerin schreibe ich gerne ellenlange Erklärungsposts, -kommentare & -videos und opfere gerne meine eh recht knappe Freizeit, wenn ich das Gefühl habe, dafür etwas für die Sicherheit und Gesundheit anderer Poledancer beitragen zu können! Ich mache das wirklich sehr gerne.. wenn aber dann Diskussionen angefangen und Ausreden gefunden werden, weil man eigentlich nur den kürzesten Weg nehmen will zu diesem oder jenem Traum-Trick, dann ist das sehr frustrierend und man kann daran sehen, dass hier noch nicht verstanden wurde, was hinter dieser Kunst steht und wieviel Arbeit hinter der glänzenden Insta-Fassade steckt.
Das ist aus mehreren Gründen problematisch… zu allererst: es gefährdet eure Gesundheit! Außerdem ist es ein schlechtes Beispiel für andere Anfänger und gefährdet deren Gesundheit gleich mit. Des weiteren ist es ein Schlag ins Gesicht all derer, die Jahre ihres Lebens und viel Energie rein gesteckt haben, um so gut zu werden, weil es ihre Leistung herabwürdigt – wäre es einfach, könnte es jeder machen!So ist es aber nicht… es ist eine hohe Kunst, die viel Training, eisernen Willen, Schmerz- und Frustresilienz sowie Geduld und Demut erfordert! Du kannst oder willst das alles nicht aufbringen und nur ein bisschen Spaß an der Pole haben? Völlig ok! Aber dann erwarte von dir nicht, dass du mehr als ein paar Drehungen an der Pole kannst und erwarte von Trainern nicht, dass sie dich mit 1-2 Übungen an ein übertriebenes Ziel bringen… denn gerade im Beginnerlevel ist vieeeeeeel Grundlagentraining notwendig, um den Körper und Geist auf die fortgeschritteneren Techniken vorzubereiten. Ist man dazu nicht bereit und probiert es trotzdem, wird man mit einer schlechten Form und – schlimmstenfalls – Verletzungen „belohnt“. Das ist sehr oft der Punkt, wo viele das geliebte Hobby aufgeben – nicht umsonst dünnt sich die Schülerschaft in allen Schulen und Studios nach oben hin sehr stark aus.
Bei 90% aller Posts sieht man, dass super vielen die gesunden Grundlagen fehlen, um die Insta-Tricks zu machen, für die sie eigentlich noch nicht bereit sind. Warum? Weil man für allseits bekannte Basistricks eben nicht so viele Likes bekommt, wie wenn man den latest Insta-Shit probiert. Ich habe Poledancer gesehen, die die krassesten Spagat-Tricks hinlegen, aber völlig überfordert sind mit einem simplen Cradle. Leute, die keine drei Tricks flüssig oben an der Pole verbinden können, aber gerade am Iron X arbeiten. Poledancer, die an der Spinning Pole auf Advanced Level turnen, aber keine 3 Basic Spins an der Static verbinden können. Ich sehe Poledancer, die noch nicht richtig an der Pole sitzen können, aber dann ihre Versuche von einem Vertical Split an der Pole posten.
Ein Problem stellt natürlich das autodidaktische Lernen dar, wenn man keine Ahnung von Sport und Training hat und sich Pole alleine beibringen möchte. Ich habe selbst auch autodidaktisch gelernt, und gehöre noch zu der Generation, die noch nicht auf viel Content im Internet zurückgreifen konnte und wo man nicht ständig ein ganzes Trick Compendium in Form eines Smartphones dabei hatte. Ich habe auch die gleichen Fehler gemacht – mit viel zu fortgeschrittenen Tricks aus Youtube angefangen, nur Spinning Pole trainiert, keine Ahnung von Körperstrukturen und ihrer Funktionen beim Training und viel zu übermotiviert und falsch trainiert. Belohnt wurde ich dafür mit ernsten Verletzungen, wie Bandscheiben-Vorfall, Muskelrissen, Schulterimpingement uvm. Ich habe nach 1,5 Jahren angefangen internationale Profis einzuladen, um die Dinge zu lernen, die mir bisher fehlten und, oh boy… mir eröffneten sich riesige neue Welten, die ich vorher noch nicht kannte. Tanz, Flow, Form, Static Pole uvm. standen nun im Fokus des Trainings und es hat gut 2-3 Jahre gedauert und sehr viele Trainingseinheiten erfordert, bis sich die Basis gefestigt und die Skills entwickelt hatten. Das letzte fehlende Puzzle-Stück war dann das Mobility-Training, was mein Pole-Game auch nach 7 Jahren nochmal auf ein ganz anderes Level katapultiert hat.
Die Informationen sind da, man muss sie „nur“ aus dem riesigen Haufen Mist rausfiltern, der so täglich über unsere Bildschirme flimmert. Was uns zu einem anderen Problem führt: die inzwischen viel zu große Fülle an Content im Netz, an dessen Qualität ich regelmäßig verzweifle. Von Stretching Programmen, die genauso unterrichten, wie vor 20 Jahren und die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse einfach ignorieren und die Leute weiter fröhlich passiv in die Strukturen schieben lassen, über Pole-Portale, wo eine Combo mit Basic Invert und Vertical Split als Beginner bezeichnet wird, bis hin zur glitzernden Insta-Welt, wo jeder alles kann und die Videos natürlich alle beim ersten Take funktioniert haben… oder auch nicht… Über Foto-Poler und Studios, wo das gefördert wird, wollen wir lieber an dieser Stelle nicht weiter reden…
Wir erleben es leider immer häufiger, dass auf unsere Versuche, die Schüler mit Tipps und Hilfestellungen vor größeren Schäden zu bewahren, wenn man ihnen sagt, dass erst die und die Basis sitzen muss, bevor man sich an die fortgeschritteneren Varianten wagen kann, mit Trotz, Frust und Ausreden reagiert wird – das macht uns sehr traurig und ich kann es ehrlich gesagt überhaupt nicht nachvollziehen!Immer, wenn mir jemand etwas gezeigt oder beigebracht hat, was ich bis dahin nicht kannte, habe ich mich bedankt, weiter recherchiert (um die Information einordnen zu können) und demütig bei der Basis angefangen zu trainieren.
Erst, wenn man mal als nicht gelernte Tänzerin in einem Workshop von Yanis Marshall stand, kennt man wirklich das Gefühl, offensichtlich keine Ahnung von der Kunst zu haben, die man gerade versucht – ich kann also sehr gut nachvollziehen, wie es vielen mit dem Poledance geht. ABER… ich habe mich dem gestellt. Es hat 6 Wochen gedauert, bis ich die Choreo drauf hatte, die die anderen Tänzer nach diesen 1,5h Workshop schon perfekt konnten… aber ich habe es solange geübt, bis es geklappt hat. Es ist für einen ehrgeizigen Menschen natürlich erstmal nicht schön, gezeigt zu bekommen, was man nicht kann, aber mich hat es immer motiviert, wieder zur Basis zurück zu kehren und so lange dran zu bleiben, bis ich es gelernt hatte.
Dazu muss man aber sein Ego beiseite schieben, was einem weis machen will, dass man das doch können muss und den eigenen Wert in Frage stellt, wenn es nicht so klappt, wie geplant. Warum? In etwas keine Erfahrung zu haben, bedeutet ja nicht, dass man „schlechter“ ist, als jemand, der sich über Jahre damit beschäftigt hat – es bedeutet nur, dass derjenige einen Erfahrungs- und Wissensvorsprung hat, den man sich jederzeit selbst erarbeiten (aber niemals aufholen) kann, wenn man dieselbe Energie und Arbeit rein steckt.
Ich habe nie erwartet, so gut wie meine Vorbilder und Idole zu sein, aber ich habe immer die Chance genutzt, mir Tipps zu holen und von der Erfahrung derjenigen zu profitieren, die den Weg bereits gegangen ist, der noch vor mir liegt.Warum vergleicht man sich mit jemandem, der einen solchen Vorsprung hat?
Ich höre immer wieder „awww, das sieht so toll bei dir aus… bei mir sieht das total unbeholfen aus :(“ Ja ok, ich mache diese Übung regelmäßig seit vielen Jahren und du hast sie jetzt gerade.. wie oft geübt? …oh, ganze 5 Mal? – Na dann musst du dich aber auch schlecht fühlen, wenn es bei dir nach 5 Versuchen noch nicht genauso aussieht, wie bei mir nach vielen tausend Malen.. macht Sinn, oder? …NICHT!
Oft habe ich das Gefühl, man möchte 1-2 Übungen gezeigt bekommen, damit das viel zu hoch angesetzte Ziel, möglichst schnell und mit möglichst wenig Aufwand erreicht wird. Aber so einfach macht es uns weder das Leben, noch das Pole Dance! Das Verständnis und das Leben dieser Kunst beginnt aber erst dann, wenn man verstanden hat, dass man eigentlich noch nichts weiß und kann und wenn man bereit ist, sein Ego zur Seite zu schieben und hart für das zu arbeiten, was man erreichen möchte!
In diesem Sinne, bleibt fleißig – der Rest wird euch am Wegesrand begegnen!
Eure Chrissi